Die Ouvertüre leitet als erstes Stück einer Oper das ganze Werk oft so ein, dass musikalisch das Thema und die Handlung erkennbar werden. War der erste Tag der diesjährigen Konfirmandenfahrt in die Berge und ans Meer in diesem Sinne eine Ouvertüre? Eher nicht, denn als die beiden Kleinbusse morgens um sechs Uhr am Wichernhaus losfuhren, setzte der Regen ein. Er wurde im Verlauf der nächsten neunhundert Kilometer stärker. Der Blick aus den Fahrzeugscheiben war der in eine regelrechte Waschküche. Das sollte sich erst nach dem Felbertauerntunnel ändern, als man schon fast im Villgratental war, dem Ziel der Reise. Auf den Autobahnen waren die Pfarrerin, der Pfarrer und die drei Betreuer sowie die Konfirmandengruppe nicht allein. Zu Beginn der Herbstferien schien alles, was vier motorisierte Räder hat, unterwegs zu sein. Stau folgte auf Stau, dreizehn Stunden dauerte die neunhundert Kilometer lange Reise. Da war viel Sitzfleisch und Geduld gefragt.
Wie ganz anders sahen die nächsten Tage aus. Die waren nämlich ganz große Oper. Sonnenschein pur und Bewegung ohne Ende. Auch im eigentlichen Sinn spielte die Musik. Zum Beispiel in der Stube des Wurzerhofes. Im Herzen des Bergbauernhofes saß die Reisegruppe abends am großen Tisch und schmetterte zur Gitarre „Country Roads“. Dieser Song verlangte immer wieder eine Zugabe in Form der Wiederholung. Selbst noch in den Kleinbussen, als man sich auf Waldwegen zum Startplatz der Bergwanderung in die Höhe schraubte, stimmten die Konfirmandinnen und Konfirmanden das Lied an. Und zwar a capella, denn der Pfarrer hielt statt der Gitarre das Lenkrad in der Hand.
Viel Musik war auch drin während der Andacht auf der Wurzalm. Sepp, Vroni und Elena, die Bergbauerfamilie, hatten eingeladen. Nachdem die Alm erwandert und der Hunger durch Köstlichkeiten vom Grill gestillt war, saß man zusammen auf der Wiese unter dem Almkreuz. Glocken läuteten die Andacht ein. Für diese Instrumentalmusik sorgten die zotteligen Hochlandrinder, die in Sichtweite dahintrotteten. Jetzt sangen die jungen Leute lautstark einen Gesangbuchklassiker, und zwar auswendig: „Lobe, den Herren, den mächtigen König der Ehren“. Dieses Lied hatte die Konfirmandengruppe mit ihrer Pfarrerin zuvor im Unterricht erarbeitet. Und so brauchte es für dieses Lied auch kein Heft mehr, in das man für den Gesang schauen musste.
Ganz andere Töne faszinierte die Gruppe, als sie am Ende eines langen Tages in Venedig zum Markusplatz marschierte. Eigentlich wollte man schnell einen Blick in die am Weg liegende Kirche San Moisè werfen. Und vielleicht noch ein Kerzchen anzünden. Aber jetzt saßen alle in den Kirchenbänken und hörten gregorianischen Chorgesang, der aus den Lautsprechern kam. Fast alle hingen ihren Gedanken nach, und zu denen zählten auch diejenigen, die man soeben zum Himmel geschickt hatte. Denn vor dem Hinsetzen wurden Teelichte entzündet und auf einen Lichterbalken gestellt. Die stillen Gebete galten den Lieben daheim, aber auch Hermann, dem Mitarbeiter auf der Wurzalm, von dem Sepp erzählt hatte, dass er vor einer schwierigen Operation stünde.
Wie bei einer guten Oper verging die Zeit in den Bergen und am Meer wie im Flug. Nach neun Tagen saßen alle für die Rückreise wieder in den beiden VW-Bullis. Kam sie dem Finale eines Musiktheaterstücks gleich? Auch das eher nicht. Denn es folgte kein dramatischer Schluss mit überraschenden Effekten. Dafür war die ganze Truppe nach langen Tagen voller Eindrücke einfach zu müde. Bis auf die Fahrer, die brav die Autobahnkilometer abspulten. Immerhin: die Scheibenwischer mussten nur auf den ersten Kilometern eingeschaltet werden. Aber dann lachte die Sonne wie an den zurückliegenden Tagen im Villgratental und in Venedig.
Text und Fotos: Annette und Werner Beuschel