Das Naheliegende glauben

Warum glauben einem Leute sofort, wenn man ihnen sagt, dass es am Himmel 400 Billionen Sterne gibt, aber wenn man ihnen sagt, dass die Bank frisch gestrichen ist, müssen sie draufpatschen?

Komisch, oder? Vielleicht liegt es ja daran, dass eine frisch gestrichene Bank etwas Naheliegendes ist. Auch im wortwörtlichen Sinn. Und etwas Naheliegendes möchte man begreifen können. Auch im wortwörtlichen Sinn. Selbst wenn man dann Farbe an den Fingern hat und die Bank noch mal gestrichen werden müsste.

Fällt es schwerer, das Naheliegende zu glauben? Zum Beispiel dass Liebe und Vertrauen am Ende noch immer stärker sind als alle Versuche, sich gegenseitig die Hölle zu bereiten – auf großer oder auf kleiner Flamme?

Klar, Alter und Lebenserfahrung spielen einem schon mal einen Streich, wenn es darum geht, das Naheliegende zu glauben. Dann behaupten die hart Gesottenen und manchmal auch bitter Enttäuschten: Vertrauen? Liebe? Alles Biochemie, alles nur ein lächerlicher Tanz von Hormonen. Alles eine Illusion. 

Aber so eine Behauptung zeigt eigentlich: da ist jemandem ein Geheimnis abhandengekommen. Ein naheliegendes Geheimnis. So wie beim Papa, der resümiert: “Ich weiß jetzt, warum Weihnachten in meiner Kindheit so schön war. Ich musste die Geschenke nicht bezahlen!”

Die meisten Väter und Mütter werden dieses Resümee für das halten, was es auch ist: ein Witz. Und erst recht tun das Großväter und Großmütter. Denn an Weihnachten hängen ja auch die eigenen Kindheitserinnerungen. In der Regel sind es schöne Erinnerungen.

Nach dem in der katholischen Kirche lange geltenden Kirchenkalender endete die Weihnachtszeit erst am 2. Februar, dem Fest Mariä Lichtmess. Also heute. Und in einigen Wohnzimmern steht bis heute noch immer der Christbaum. Ich finde den Brauch sympathisch. Denn ein etwas mitgenommener Baum zeigt, dass der als Kind in die Welt gekommene Gott gerade dann unter uns Menschen ist, wenn vom Festglanz nicht mehr viel zu sehen ist. Eine Sache des Glaubens.

Jesus sagt: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr niemals zu Gott kommen. Kinder können ja das Naheliegende gut glauben. Das Naheliegende – es muss für uns Ältere nicht unbedingt eine frisch gestrichene Bank sein. Aber die Liebe schon. An sie lohnt es sich immer zu glauben.

Werner Beuschel

Der Text ist ein von der Rheinischen Post (Lokalredaktion Mönchengladbach) für den 02.02.2024 erbetener Denkanstoß.

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