Legendär waren seine Gemeindefahrten. Albrecht Bierei versetzte seine Gemeinde in Bewegung: es ging Italien, Andalusien oder Griechenland, nach Thüringen, Dresden oder Berlin. Am nachhaltigsten aber blieben die Samstagstouren in Erinnerung. Einmal im Monat ging es mit einem Schöne-Wochenend-Ticket für 5,60 Euro pro Person quer durch das Rheinland und Westfalen. Dabei wurden Kirchen besichtigt, Veranstaltungen besucht und Entdeckungen gemacht. Als Pfarrer Bierei 2005 die Christuskirchengemeinde verlässt und in den Ruhestand geht, haben rund 4000 Gemeindeglieder an diesen Samstagstouren teilgenommen. „Ich bin sehr dankbar, dass wir das so umsetzen konnten“, sagt Bierei rückblickend.
Am 31. Januar 2021 feierte der heute 79jährige sein Goldenes Ordinationsjubiläum. Vor 50 Jahren wurde er im Eifelstädtchen Polch ordiniert. Geboren ist Bierei 1941 in Berlin. „Meine Kindheit war gekennzeichnet durch Krieg und Vertreibung“, sagt er. 1953 verlässt er mit seiner Mutter die damalige „Ostzone“ und kommt schließlich ins Rheinland, wo er ein evangelisches Gymnasium besucht und im Internat lebt. Dieser enge Kontakt zum christlichen Gedankengut wirkt sich entscheidend aus. „Das evangelisch-christliche Schulleben hat mich geprägt und ich habe das Evangelium immer als Botschaft der Befreiung erlebt“, erinnert er sich. Nach dem Abitur erst ratlos, entschließt er sich zum Theologiestudium.
Als junger Vikar lernt er „einen jungen Engel“ kennen, wie er sagt – seine Frau Brigitte, mit der er nun auch schon 50 Jahre verheiratet ist. Er übernimmt Aufgaben in der Eifel und später eine Pfarrstelle im nördlichen Saarland, wo auch drei seiner vier Kinder zur Welt kommen. 1982 zieht die Familie nach Mönchengladbach, wo Bierei einen der damals vier Pfarrbezirke der evangelischen Christuskirchengemeinde übernimmt. Seinen Söhnen konnte er den Umzug aus dem ländlichen Saarland in die Großstadt vor allem mit Fußball schmackhaft machen. Borussia zog auch damals. In Mönchengladbach arbeitet Bierei erstmals mit Pfarrkollegen zusammen. „Das war heilsam und mühselig, ich bin dankbar dafür“, erklärt er. Er war zuständig für Hermges, Dahl und Hardterbroich – „eine große und lebendige Gemeinde“, in der gern gefeiert wird. „Ich erinnere mich an große Veranstaltungen und wunderbare Feste“, sagt Albrecht Bierei. Aber auch ernste Themen treiben den Pfarrer um: auf Konflikte wie den Kosovokrieg oder den Irakkrieg reagiert er mit abendlichen, viel besuchten Friedensgebeten. „Wir haben die Bomber aufsteigen sehen“, erinnert er sich.
Die Gemeindearbeit findet im damals noch im Besitz der Gemeinde befindlichen Haus an der Rheydter Straße statt: Seniorentreff, Hausaufgabenbetreuung für Grundschulkinder, Männergruppe. Brigitte Bierei ist in der Frauenhilfe aktiv. Zu den vielfältigen Aufgaben des Gemeindepfarrers kommt die Notfallseelsorge. Seine Berufswahl hat er nie bereut. „Man hat große Freiheiten als Pfarrer“, meint er. Allerdings: „Ich konnte kein Familienmensch sein, an den Wochenenden und Feiertagen war ich beschäftigt.“ Das kann aber nicht sehr abschreckend gewirkt haben, denn wenigstens einer seiner Söhne ist auch Pfarrer geworden. Und wohin, meint er, wird der Mitgliederschwund seine Kirche führen? „Die Kirche wird sich wandeln“, sagt er. „Ich weiß nicht, wie sie aussehen wird, aber das Faszinosum der Frohen Botschaft wird bleiben. Ich weiß nichts Besseres als davon zu erzählen.“
Angela Rietdorf