Meinungsverschiedenheiten können anstrengend sein. Ein Experte rät: Man muss das Ganze einfach lockerer nehmen. So ein bisschen wie die Kinder. Auf dem Spielplatz, im Sandkasten: wenn da einer die Schippe wegnimmt, wird nicht verbissen diskutiert. Da gibt’s auf die Fresse. Und der Stärkere kriegt die Schippe. So einfach kann das Leben sein.
Mit diesen ergreifenden Worten öffnet der Kabarettist Dieter Nuhr seinem Publikum die Augen. Die Empfindsamen werden zusammenzucken und die Friedensapostel aus den Jesus-Latschen kippen. Zu Recht. Denn Gewalt ist keine Lösung. Selbstverständlich ist der gepflegte Austausch von Argumenten immer fliegenden Fäusten oder dem Griff zur Waffe vorzuziehen.
Deshalb gibt es Erziehung. Das kann eine lebensverlängernde oder freiheitssichernde Maßnahme sein, je nachdem auf welcher Seite man steht. Erziehung hilft ungemein. Aber leider wirkt sie nicht immer. Flegel sind nicht nur in der Kinderstube zu besichtigen. Manche wohnen sogar in einem weißen Haus.
So ist leider das Leben. Und Dieter Nuhr hat ja recht: die lieben Kleinen sind ja nicht nur süß und unschuldig. Ein Zustand, der sich bis zu den lieben Großen hält. Es legt uns derzeit nicht nur das Virus aufs Kreuz, sondern das besorgen sich die Menschen auch gegenseitig. In Nordrhein-Westfalen wurde nach Betrügereien das Soforthilfe-Programm für kleine Betriebe in der Corona-Krise zeitweise gestoppt. Typen mit finsteren Absichten geben sich als Ärzte vom Gesundheitsamt aus, als Infizierte in Geldnot, Lebensmittelieferanten oder als Bank-Mitarbeiter.
„Falls Sie mal ein Thema für eine weitere Kolumne suchen, wie wär’s mit einer über die 10 Gebote?“, regt Kolumnen-Leserin B.T. an. Ihr verstorbener Nachbar hätte sie eher als Verbote aufgefasst, während sie selber unter den Geboten eine „ Anleitung für ein besseres Miteinander“ sähe. Ich meine: das eine schließt das andere nicht aus, sondern ein. „Du sollst nicht stehlen“ ist ein glasklares Verbot. Und wo es einem zur Pflicht und innerer Einsicht geworden ist, dürfte sich auch das Miteinander merklich verbessern.
Eigentlich müssten die Gebote überflüssig sein. Eigentlich dürfte keiner den andern aufs Kreuz legen wollen. Weil Ostern geworden ist, weil das Leben am Ende sich durchsetzt und damit jede Lebensbeschädigung eigentlich ein Unding ist. Aber so ist nun mal die Welt: noch immer trägt mancher sein Kreuz. Und darum hat sich mit Ostern auch nicht der Titel meiner Kolumne geändert.
Quasimodogeniti heißt der kommende Sonntag, „wie die neugeborenen Kinder“, und dieser lateinische Name gehört zu einem Vers des 1. Petrusbriefes: seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, damit ihr durch sie zunehmt zum Heil.
Auch das gehört also zum Osterglauben: wir werden nie mit ihm fertig. Wir dürfen uns mit ihm auseinandersetzen, wir sollen uns mit ihm auseinandersetzen. Und gerade so werden wir groß und stark und nehmen zu zum Heil. Auch wenn wir vielleicht schon die Lebensmitte hinter uns haben und die Zahl der Jahre auf dieser schönen Erde übersichtlicher geworden sind.
Martin Luther hielt fest:
Das Leben ist nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind`s noch nicht, wir werden`s aber.
Es ist noch nicht getan oder geschehen,es ist aber im Gang und im Schwang.
Werden Sie also weiter groß und stark. Eine Schippe brauchen Sie dafür nicht mehr zu kriegen.
Ihr Pfarrer Werner Beuschel