Bild 1: Mit entschlossen nach unten gerichtetem Blick steht der Mann am Waschbecken. Das Wasser läuft aus dem Hahn über die Hände. Bild 2: Die im Mundwinkel zu sehende Zunge und viel Schaum auf den Händen verraten den Eifer, mit dem der Mann seine Hygiene-Maßnahme betreibt. Bild 3: Die Finger sind verschränkt und verdeutlichen das Bemühen, selbst versteckte Hautstellen mit Seife und Wasser zu erreichen. Letztes Bild: Mit halb geschlossenen Augenlidern, die Hände Richtung Lendenbereich gereckt, steht unser Mann am Urinal und erleichtert sich dort.
Ich musste lachen, als ich diese vier Zeichnungen am rechten Zeitungsrand untereinander angeordnet sah. Die Bilderfolge sollte auch ein Beitrag zur Corona-Pandemie sein. Lachen angesichts dieses ernsten und bedrohlichen Themas? Tut mir leid, liebe Gesinnungspolizei: ich konnte nicht anders.
Warum musste ich lachen? Ich hab mal die vier kleinen Zeichnungen auseinander geschnitten und neu sortiert. Und egal, in welche Reihenfolge ich sie brachte: der Witz war weg. Denn dann war nur das Übliche und Gewohnte zu sehen: „Nach dem Klo und vor dem Essen, Hände waschen nicht vergessen.“ Das lernen die Jüngsten schon in der Kita.
Lachen muss ich also dann, wenn etwas nicht am erwarteten Ort ist. Auf etwas derbe Art hat das der Arzt und Humorist Eckart von Hirschhausen veranschaulicht: Torte auf dem Teller – nicht lustig. Torte im Gesicht – lustig.
Kindermund sorgt manchmal für unfreiwillige Komik. Kolumnen-Leserin B.T. hat aus dem Nähkästchen geplaudert. Fragt die Oma: „Schätzchen, warum bist du denn nicht in der Schule?“ Antwort der Enkelin: „Das ist zur Zeit ganz unmöglich, Omi, denn da schwirren jetzt zuuu viele Kalorien herum!“
Was beim zündenden Witz das Lachen ist, war für die alten Griechen bei der Weltbetrachtung der Beginn der Philosophie. Staunend über das, was nicht am gewohnten Platz ist, beginnt der Philosoph sein Werk.
Ganz und gar nicht am erwarteten Ort ist für den christlichen Glauben – Gott. Er kommt zur Welt. Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde, kommt ins Spiel, und jedes Krippenspiel an Weihnachten versucht das nachzuspielen. Keine leichte Aufgabe, auch weil wir wissen: eigentlich passt das nicht zusammen: der helle Himmel und die belastete Erde, der ewig-reiche Gott und wir trotz Hab und Gut doch oft ärmliche Menschen. Und doch passt es. Weil Gott es so wollte. Weil Gott es so will. Und uns nur übrig bleibt zu sagen wie Johannes der Täufer im Blick auf Jesus: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Auf sein Kreuz will alles gelegt sein.
Dass Gott einem nun gerade da begegnet, wo man ihn gar nicht vermutet hätte, führt für die Bibel zu zwei Reaktionen. Erstens: die Menschen erfasst ein gewaltiger Schrecken. Und damit sie wieder zu sich kommen, sind oft begütigende Worte nötig, gern von einem Engel gesprochen: „Fürchtet euch nicht!“ Die zweite Reaktion: die Menschen glauben. Sie vertrauen darauf, dass der ewig-reiche Gott gerade ihr vergleichsweise ärmliches Leben hält und trägt.
Staunend macht sich also auch der Glaube bemerkbar. Man muss für ihn nicht mehr tun, als sich auf das einzulassen, was die Bibel sagt. Er stellt sich unwillkürlich ein. So wie das Lachen nach einem gut erzählten Witz.
Kolumnen-Leserin M.G. hat mir jetzt, wie sie schreibt, etwas zum Schmunzeln geschickt. Es handelt sich um einen in englischer Sprache verfassten Zwischenruf. Hier die etwas freihändige Übersetzung: „Die Leute fragen mich, ob es sich bei COVID 19 wirklich um so eine ernste Sache handelt. Meine Antwort: Schau doch mal, sowohl Casinos als Kirchen sind jetzt geschlossen. Wenn also Himmel und Hölle hier einer Meinung sind, dann kapier doch, dass es wirklich sehr ernst ist.“
Himmel und Hölle. Sie sind die Spielräume für die Passionsgeschichte, wie sie in dieser Karwoche von Palmsonntag über Gründonnerstag und Karfreitag bis zur Osternacht erzählt wird.
Kommen Sie gut durch diese Woche!
Ihr Pfarrer Werner Beuschel
Fundort der Zeichnung: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 8. März 2020, S. 11