“Aufs Kreuz gelegt”. Gottes Sprechstunde am Sonntag

Zum Gotteshaus haben nicht wenige  ein Verhältnis wie zu ihrem Arzt: man ist froh, wenn er im Bedarfsfall in der Nähe ist. Ohne ihm ständig die Praxistür einlaufen zu müssen. Nimmt man diesen Vergleich als Maßstab, so müsste im Blick auf den sonntäglichen Kirchgang der Pfarrer mit der Logik des Arztes sagen: die Leute strotzen nur so vor Gesundheit. In Gottes großer Sprechstunde am Sonntagmorgen sieht es oft mau aus.

Ja, wenn die Konfirmandinnen und Konfirmanden einen Gottesdienst vorbereiten und ihn dann in der Christuskirche mit der Gemeinde feiern, dann ist es manchmal so voll wie bei den Konfirmationen selber. Wenn in Ohlerfeld an Pfingsten der ökumenische Gottesdienst im Grünen gefeiert wird, so ist die große Wiese vor dem Kirchsaal voll von Menschen. Wenn an den Sonntagen der Christmas Classics in der verwandelten Christuskirche die Glocken zu Gebet und Gesang rufen, dann sind die Bänke so gut besetzt wie dann erst wieder zu Weihnachten. An den Sonntagen in der Zwischenzeit wird es schon mal übersichtlich.

Jetzt fällt der gemeinsame Kirchgang komplett aus.  Bis auf weiteres. Leser T.K. will das nicht nur einfach achselzuckend zur Kenntnis nehmen: „Möge die Medizin, Politik und auch wir durch unser Verhalten die Pandemie und deren Auswirkung besiegen. Danach bitte wieder analog: WIR – miteinander im Gemeindehaus/Kirche, sich nahe sein, begegnen…“ Und P.J. schreibt mir auf meine Kolumne zurück: „Wir vermissen unsere Kirchen. Die Gottesdienste und Gebete. Und den Segen vermisse ich sehr.“ Zugleich bietet die so lebenskluge wie glaubensheitere und bodenständige Frau einen telefonischen Besuchsdienst für einsame Menschen an. Ich vermittle da gerne. Schreiben Sie mir: werner.beuschel@ekir.de.

Hier und da werden ja schon die Vorzüge der digitalen Kommunikation gepriesen, die man jetzt in der Krise erst richtig entdecke. In der Arbeitswelt und in der Schule müsse dies beibehalten und möglichst ausgebaut werden. Keine Frage: schon allein wegen des Umweltschutzes es ist zu begrüßen, wenn die Dienstreisen weniger werden, und pädagogisch bietet das elektronisch geschaffene Klassenzimmer gute Möglichkeiten.

Aber der liebe Gott hat ja den Menschen mit mehr als zwei Sinnen ausgestattet. Sehen und hören, über einen Bildschirm vermittelt, sind ja nicht alles. Dazu kommen ja riechen, schmecken, fühlen. Und darum ist mir auch der gemeinsam gefeierte Gottesdienst so wichtig. Wenn ich dann in der ersten Bankreihe im Talar sitze und der Eingangschoral gesungen wird, dann spüre ich das auch. Und es braucht ja auch das Gefühl für die Gemeinschaft, für die Gemeinde. Lateinisch heißt sie communio. Gleich mit mehreren Sinnen wird sie erfahrbar im Abendmahl. Zu ihm gehört die Einladung: „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist!“ Gottes Zuwendung dürfen wir uns also buchstäblich auf der Zunge zergehen lassen.

In der letzten Woche war ich erstmals bei einer Video-Konferenz dabei. Der Superintendent hatte zu diesem besonderen Dienstgespräch die Pfarrerinnen und Pfarrer eingeladen. Eine feine Sache. Sehr direkt konnte man sich miteinander abstimmen. Nach dann doch zwei anstrengenden zwei Stunden sollte Schluss sein. Einer hatte die an sich gute Idee, es könnten doch alle gemeinsam das Vater unser sprechen. Es klang nicht so schön. Rhythmus und Tempo gingen bei den achtzehn Teilnehmerinnen und Teilnehmern völlig durcheinander. Seltsam, dachte ich mir, das funktioniert doch sonst eigentlich gut in Konventen und auf Synoden.

Zugleich dachte ich: ist vielleicht auch gut, wenn der liebe Gott mal schmunzeln kann. Und besonders beim Vater unser bin ich mir ziemlich sicher, dass er genau zuhört bei dem, was wir ihm aufs Kreuz legen. Zum Beispiel bei der Bitte: erlöse uns von dem Bösen. Früher sagte man auch: erlöse uns von dem Übel.

Mein Wunsch ist, dass mit der Erlösung jetzt zugleich Lösungen gefunden werden: Arzneimittel, Impfstoffe, politische Entscheidungen, die die Krankheit bekämpfen und die Wirtschaft befördern.

Gott segne Sie!

Ihr Pfarrer Werner Beuschel

 
 

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