“Aufs Kreuz gelegt”. Eine Zeitenwende

Die Urlaubspläne der Bundesbürger reifen zaghaft wie selten zuvor, lese ich in meiner Tageszeitung. „So viel Ratlosigkeit gab es in 25 Jahren nicht“, sagt Professor Horst Opaschowski, der seit einem Vierteljahrhundert Ferienströme analysiert und „einen Absturz der Flugreisen“ voraussieht.

Gelesen habe ich das in der Ausgabe der Rheinischen Post vom 21. Februar. Ach ja, das Jahr sollte ich auch noch erwähnen. Es ist nicht das Jahr 2020. Es ist das Jahr 2009. Die Meldung stand am Rand der Seite, die ich nur deshalb ausgerissen hatte, weil der Hauptartikel von Jens Voss die Überschrift trägt: Wandern auf Luthers Spuren. Die Durchsicht gut abgehangener Papierstapel spielte mir die Meldung wieder zu. Elf Jahre alt. Aber sie liest sich wie marktfrische Ware.

Am vergangenen Samstag zeigte das Erste noch einmal das WM-Viertelfinale Deutschland-Argentinien aus dem Jahr 2006. Entscheidung im Elfmeterkrimi, Jens Lehmann fischt aus dem Schienbeinschoner einen Spickzettel und hält den entscheidenden Schuss. Grenzenloser Jubel, Deutschlands Sommermärchen war um ein Kapitel reicher.  Am Fernsehen in einer Fischerhütte am Starnberger See hatten meine Frau und ich zusammen mit der Gemeindejugend das Spektakel verfolgt. Foto anbei. Jetzt hörte ich noch einmal den Fernsehkommentator, der fast elegisch wurde. Wer hätte das, so fragte er, noch vor vier Wochen gedacht, dass man hierzulande derart unbefangen Deutschland-Fähnchen schwenken und im nächtlichen Autokorso feiern würde. Und dabei, so der Kommentator weiter,  zeigte sich Deutschland so unverkrampft weltoffen. Es kam mir vor, als würde eine neue Zeit ausgerufen.

Wenige Jahre später machten andere Fahnenschwenker von sich reden. Aber das waren die, deren Niveau nicht rund wie der Ball, sondern eher flach wie eine Scheibe war, für die sie die Welt halten. Und auf der anderen Seite ebenfalls besorgte Bürger, die ihre Wutanfälle auch im linken Milieu austoben. Engstirnigkeit in allen Spielarten.

“Nichts wird mehr sein, wie es vorher war.” Wann und wie oft hat man es gehört? Im Zusammenhang mit den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon. Nichts? Wirklich nichts mehr wird so sein? Da haben wir uns doch in fast zwanzig Jahren etwas korrigieren müssen.

„Wir hoffen, dass die neu entdeckten Formen der Solidarität erhalten werden können“, schreibt Kolumnen-Leser G.M. aus der schönen Landeshauptstadt M.. Ja, das hoffe ich auch. Aber ich bin skeptisch, wenn ich an anderer Stelle zunehmend höre und lese, dass mit der Corona-Krise gleichsam eine Zeitenwende einhergehen würde. Schon der Fußballkommentator des Jahres 2006 verschluckte sich fast bei seiner Elegie, als die Kameras auf einmal Bilder zeigten, wie von Spielern und Betreuern kräftig geschlägert wurde.

An eine bestimmte Zeitenwende glaube ich allerdings schon. Nämlich an die, die mit dem Namen Jesus Christus verbunden ist. Als Auferstandener lässt er seine Welt nicht im Stich. Denn das ist ja die mit Ostern verbundene gute Nachricht: Gott hat dich auf doppelten Boden gestellt. Und nun unverkrampft ans Werk. Erst dem Himmel sei Dank und dann ab an die Arbeit, wo sie derzeit möglich und nötig ist. Zum Beispiel in den Arztpraxen und Krankenhäusern leisten die Menschen derzeit Außerordentliches.

Zuerst kommt das Vorzeichen vor der Klammer deines Lebens, und das ist seit dem allerersten Ostermorgen ein Plus. Oder ein Kreuz – Auslegungssache. Denn das Kreuz des Karfreitags ist über drei Tage und die Nacht des Todes  zum Vorzeichen des Lebens geworden.

Vielleicht lässt sich trotz allem über die Corona-Krise auch etwas Gutes sagen. Man sieht, wozu Deutschland in der Lage ist. Das ist doch schon mal was. Das Übrige wird sich fügen.

Eine gute Woche mit dem richtigen Maß an Arbeit und Momenten der Muße wünscht

Ihr Pfarrer Werner Beuschel

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