“Aufs Kreuz gelegt”. Der Weckruf eines Engels

Vor einiger Zeit schrieb mir Leserin C.W., dass die pandemie-bedingte Ruhigstellung auch ihre gute Seiten hätte und sie dankbar wäre für viel Zeit mit der Familie. Ich hörte in diesen Zeilen auch ein “Lobe den Herren” heraus. Und ich wollte wissen, ob die Tochter des Hauses, die ich vor einiger Zeit konfirmiert hatte, den Gesangbuchklassiker noch kennen würde.

Die Mutter fragte sofort in ihrer erfrischend direkten Art nach. Die Antwort der jungen Dame war eine Bestätigung: „Zu fünfzig Prozent sind es Lieder aus der Konfizeit, die mir, wenn ich nachts aufwache, in den Kopf kommen!” Das hätte ihre Tochter vergnügt grinsend gesagt. Aber nicht nur der Choral Joachim Neanders  wäre ihr in bester Erinnerung, sondern auch ein „überaus schmackhaftes Risotto“, das ich mit ihr und anderen Konfirmanden auf den Fahrten angerührt hätte.

Als ich das las, ging es mir ein bisschen wie dem Risotto: ich war gerührt. Nahrhafteres kannst du als Pfarrer jungen Leuten eigentlich nicht vermitteln, dachte ich mir: dass Lieder, in denen auch der liebe Gott zu Wort kommt,  einen Platz im Seelenschatzkästchen finden. Und dass man sich am Herd zu helfen und aus Gottes guten Gaben etwas Vergnügliches zu machen weiß.

Auch in der Bibel kommen Essen und Trinken nicht zu kurz. Der Monatsspruch für den Juli fordert sogar dazu regelrecht auf: „Der Engel des Herrn  rührte Elia an und sprach: “Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.“ (1. Könige 19,7).

Elia, der Prophet, braucht tatsächlich in diesem Moment einen Engel. Denn er ist am Ende. Er kann einfach nicht mehr. Er fühlt sich aufs Kreuz gelegt. Er ist auf der Flucht vor der auf Rache sinnenden Königin. Elia, der Prophet, hat sich nicht nur mit aller Macht für seinen Gott ins Zeug gelegt. Sondern er hat dabei auch Blut an den Händen kleben. Und jetzt sitzt er mitten in der Wüste unter einem Wacholder und will nur noch eins. Er will sterben. Es kommt nicht ganz so dramatisch. Elia schläft ein.

Ein Engel reißt ihn aus dem Schlaf. Und fordert ihn auf zu essen. Engel sind Boten Gottes. Und sie verkünden oft mehr als menschenmöglich ist. Ihr Thema ist das,  von dem wir stolzen Menschenkinder (Matthias Claudius)  gewöhnlich keine Ahnung haben. Engel spielen der Welt neue Möglichkeiten zu: Gottes Möglichkeiten. Am Ende wird Elia, der Prophet, sogar Gott begegnen. Nachdem er aufgestanden ist, gegessen und sich auf den Weg gemacht hat.

Aufgeweckte Menschen sollen sich stärken. Besonders dann, wenn sie eine weite Strecke vor sich haben. Sie sollen sich nicht nur mit Luft und Liebe stärken. Sondern sie sollen auch essen. Für Elia lag ein geröstetes Brot bereit. Für die Gemeinde Jesu liegt ein anderes Brot bereit. Es ist das Abendmahlsbrot, das Gottes Wegzehrung sein will  für die wunderbare Reise, die man das Leben nennt. Es ist ein Jammer, dass  die Gemeinde sich derzeit nicht um den Tisch des Herrn versammeln kann. Wohlgemerkt: ich halte das für gut begründet. Die  Sorge um die Gesundheit spricht dafür. Aber von Zeit zu Zeit will man ja nicht nur sehen, sondern am Abendmahlstisch auch schmecken, wie freundlich der Herr ist.  

Leserin C.W. schrieb auch: „Wir haben in unserer improvisierten Küche ein Abendessen genossen, und zwei aus der Familie machen gerade den Abwasch im Badezimmer. Ja, wir renovieren die Küche und das Ganze hat etwas von Camping. Besser als gar kein Urlaub.“  Diesen Sinn für Humor wünsche ich uns allen, besonders für diese Sommerferien. Egal ob Campingurlaub in der Wohnung und auf dem Balkon oder auf den eigentlich dafür ausgewiesenen Grünflächen, egal ob nun lesend im Lehnstuhl gereist wird oder auch auf nach Kilometer zu bemessenden Strecken – machen wir uns auf den Weg. Und stärken uns dazu entsprechend. Und vielleicht ist es sogar ein Engel, der die entscheidenden sachdienlichen Hinweise gibt.

Gute und gesegnete Sommertage wünscht Ihnen

Ihr Pfarrer Werner Beuschel

   

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