Fünf Monate des Jahres 1975 stand der Song in den deutschen Charts, die damals Hitparade genannt wurde. Ein Erfolg, der in den folgenden fünfundvierzig Jahren einen Nachhall fand. Noch immer ist der Schlager zu hören, von der privaten Feier bis zum Stadtfest, und je fröhlicher und auch je feuchter der Abend, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass er gespielt wird: Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür. Gesungen von Marianne Rosenberg.
Was macht den Song zu diesem Evergreen? Der, wiewohl von einer Frau gesungen, zunehmend als Liebeslied von Mann zu Mann Anklang fand. Aber eben nicht nur in diesem ganz bestimmten Absender- und Adressatenkreis. Warum singen Männlein und Weiblein und auch vergleichsweise junge Leute den Schlager begeistert mit? Mal unter uns: textlich ist doch manches dürftig, und da rede ich nicht nur von Liedzeilen wie „Steht es in den Sternen, was die Zukunft bringt“. Textlich dürftig sind auch die mancherlei „Nana, nana, nanas“ und die von Stimmen im Hintergrund gesungenen „uhuuuhuus“.
Ich vermute, das liegt vor allem an zweierlei. Der Erfolg liegt wohl an einem gefälligen Klangbild und einem eindringlichen Sprachbild.
Beginnen wir mit dem gefälligen Klangbild. Irgendwann fiel mir auf, dass ich das schon mal woanders gehört hatte. Zu Beginn ein süßlicher Streicherklang, der gleichsam vom Himmel zur Erde fällt, dann nach der Strophe der Paukenschlag mit kleiner Pause, auf die der Refrain folgt. Melodie und Harmonien sind wohlproportioniert, unter beiden Songs liegt ein fast identischer Basslauf. Verpackt ist das Ganze in einen glitzernden Disko-Rhythmus, der förmlich in die Füße geht.
Dieser sehr ähnliche Song ist ein Jahr älter, ein Welterfolg, allerdings nicht gesungen von einer zwanzigjährigen Deutschen, sondern von einem schwergewichtigen Amerikaner, nämlich Barry White. Der Song-Titel: You are the First, the Last, my Everything. Mit dieser Vorlage konnte ein Jahr später für Marianne Rosenberg nicht mehr allzu viel schief gehen.
Der zweite Grund für den Erfolg: ein eindringliches Sprachbild. Textlich hängen bleibt vor allem der Titel: Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür. Das ist ein Bild, mit dem gerade wegen seiner schönen Schlichtheit jeder etwas anfangen kann. Schon der Vergleich hat es ja in sich: wie mein Name an der Tür
Nichts, so hat mal einer gesagt, hört der Mensch lieber als seinen Namen. Natürlich kommt es auch auf den Zusammenhang an. Vielleicht hört man den Namen nicht ganz so gern, wenn einer ihn tadelnd sagt. Oder auch singt wie im ganzen alten Schlager: „Heinerle, was machst Du da, du kitzelst ja die Omama“. Und auch etwas unschön ist`s, wenn einer den eigenen Namen genervt sagt. Oder singt: „Mein Gott, Walter.“
Aber meistens kommt es gut an, wenn mein Name genannt wird. Und man reagiert gewöhnlich empfindlich, wenn er nicht genannt wird, wo er genannt werden sollte. Wenn also das Gefühl da ist: hier werde ich übersehen. Denn mein Name: das bin ich selbst. Mit meinem Namen bin ich da, habe ich einen Platz, und am schönsten ist es, wenn ich mit meinem Namen einen Platz im Herzen eines anderen habe.
„Ich habe dich bei deinem Namen gerufen“, sagt Gott, und dieser Name ist zuerst Israel, das auserwählte Volk. Im Jesaja-Buch erinnert Gott sein Volk daran, dass er jedem einzelnen verbunden ist. Auf immer und ewig. Und die letzte Konsequenz, dass dich Gott bei deinem Namen gerufen hat, benennt er auch: „Du bist mein“. (Jesaja 43,1)
Es könnte also auch ein Ruf des Himmels sein, wenn es heißt: Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür. Denn der Name an der Tür, also ich selber, bin erst richtig von Bedeutung, wenn ich zu einem anderen gehöre.
Ich bin erst im Studium drauf gekommen, dass unser so scheinbar urgermanisches Wort Kirche ein Lehnwort ist, also aus einer anderen Sprache kommt, gewissermaßen ein Wort mit Migrationshintergrund ist. Die andere Sprache, aus der das Wort Kirche kommt, ist die griechische Sprache. Es ist die Sprache, in der das Neue Testament geschrieben ist. Kirche kommt von kyriakón, und das bedeutet: zum Herrn oder dem Herrn gehörend. Und der Herr ist der Herr Jesus Christus.
Die Kirche gehört also zu Jesus Christus, sie gehört dem auferstandenen Herrn, der mitten unter uns ist. In seinem Namen fängt jeder Gottesdienst an, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Jeder Christenmensch gehört also Jesus Christus. Der sagt: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Du gehörst zu mir, wie mein Name an der Tür.
Wie mein Name an der Tür? Bei Jesus war der Name an anderer Stelle angebracht. Nicht an der Tür, sondern oben am Kreuz. Auf einer Tafel hatten sie geschrieben: Jesus von Nazareth, König der Juden. INRI.
Und so sind also die Bibelworte ein einziges Liebeswerben. Ein Liebeswerben eines Gottes, der sich selber hat in die tiefsten Abgründe hinabziehen lassen, um unser Leben zu teilen. Auch das Leid und auch die Schuld. Und indem ich diesem Gott Glauben schenke, indem ich Jesus Christus vertraue, sogar mein Leben anvertraue, hoffe ich, dass er aus allem das Beste macht.
Ein Liebeswerben aber geschieht noch immer am besten durch Liebeslieder. Und wenn es auch ein 45 Jahre alter Schlager ist. Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür. Das ist und bleibt auf eine bestimmte Weise auch ein Evangelium.
Eine „liebe Sommerzeit“ (Paul Gerhardt) wünscht Ihnen
Ihr Pfarrer Werner Beuschel