Schmalkalden ist eine Stadt mit wunderschön restaurierten Fachwerkhäusern am Fuß des Thüringer Waldes. Heute ein beschauliches Ziel von Tagestouristen, die die Altstadt bewundern und vom Schlosshügel über grüne Hügel blicken, war Schmalkalden im 16. Jahrhundert ein Ort, in dem Geschichte geschrieben wurde. Hier wurde der Schmalkaldische Bund gegründet, ein Verteidigungspakt, mit dem sich die evangelischen Fürsten und Städte gegen den katholischen Habsburger-Kaiser Karl V. Unterstützung zusagten. Der Kaiser hatte gerade das Augsburger Bekenntnis abgelehnt und das Wormser Edikt erneuert.
Schmalkalden also war das Ziel, zu dem sich die ökumenische Reisegruppe, die seit 2015 regelmäßig auf den Spuren Martin Luthers unterwegs ist, in diesem Jahr aufmachte. In der kleinen thüringischen Stadt mit der langen hessischen Geschichte (Landgraf Philipp von Hessen, einer der engagiertesten Verfechter des evangelischen Bekenntnisses, regierte auch in Schmalkalden) begegnet man auf Schritt und Tritt dem Reformator. In der Stadtkirche St. Georg hat er gepredigt und hier besuchte die ökumenische Reisegruppe auch den Gottesdienst zum Tag der deutschen Einheit, den der Dekan des Kirchenkreises Schmalkalden hielt und der viel vom modernen Schmalkalden vermittelte. Die Stadt ist auch heute noch evangelisch geprägt, wobei großer Wert auf ökumenische Zusammenarbeit gelegt wird. Beim anschließenden Treffen mit Vertretern der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) der Region wurde deutlich, wie vertrauensvoll und erfolgreich die gemeinsame Arbeit der christlichen Konfessionen in Schmalkalden ist.
Zu Luthers Zeit war das ganz und gar nicht der Fall. Beim „glanzvollsten Fürstentag“ 1537, an dem allein 16 Fürsten und sechs Grafen teilnahmen, Gesandte von Kaiser und Papst sowie 42 evangelische Theologen mit Luther und Melanchthon an der Spitze, wurde der päpstliche Abgesandte mit ausgesuchter diplomatischer Unhöflichkeit behandelt. Luther ging es damals gesundheitlich sehr schlecht. Er empfing die Fürsten und Theologen meist in seiner Unterkunft, dem heutigen Lutherhaus. Er glaubte sich dem Tod nahe, als er unter ständigen Schmerzen noch während des Fürstentages abreiste. Doch die unwegsamen Straßen im Thüringer Wald sorgten wohl dafür, dass sich seine Nierensteine lösten. Er allerdings führte die Heilung auf das Wasser in Tambach zurück, wo heute noch ein Lutherbrunnen an die Genesung erinnert.
In Schloss Wilhelmsburg, einer wunderbaren, nahezu unverändert erhaltenen Renaissanceanlage, ist das Museum untergebracht, in dem eine sehr empfehlenswerte Dauerausstellung zum Schmalkaldischen Bund zu sehen ist. Elisabeth von Rochlitz, die Schwester von Landgraf Philipp und unerschrockenen Kämpferin für die Reformation, führt virtuell durch die Räume, die die Situation zur Zeit des Schmalkaldischen Bundes gekonnt greifbar machen und Zusammenhänge herstellen. So wird zum Beispiel deutlich, dass sich Kaiser Karl V immer dann kompromissbereit zeigte, wenn er die Unterstützung der evangelischen Fürsten gegen die osmanischen Heere brauchte. „Der Türke ist der Lutheraner Glück“ sagte man im 16. Jahrhundert.
Der Schmalkaldische Bund löste sich nach der Niederlage in der Schlacht von Mühlberg 1547 auf, die führenden Fürsten wurden gefangen genommen. Aber die Niederlage bedeutete nicht das Ende des Protestantismus in Deutschland. 1555 wurde der Augsburger Religionsfrieden geschlossen. Schmalkalden verschwand wieder von der Bühne der Geschichte, ist aber weiterhin eine Reise wert.
Angela Rietdorf