„Wunder geschehen……“, auch noch 2021

Liebe Gemeinde, kennen Sie das Lied von Nena aus dem Jahr 1989…?

Wunder geschehen….

Gerade heute Morgen im Radio gehört und es rührt mich jedes Mal wieder zu Tränen. Ich verbinde sehr viel mit dem Lied. Meine Mutter sang es in ihrem Chor, dem Rhythmuschor Waldhausen. Diesen Chor gibt es noch, er probt und tritt mittlerweile in St. Anna auf, in unserer ökumenischen Nachbargemeinde. Meine Mutter ist nun schon seit drei Jahren nicht mehr da. Gestorben, an einem kalten Januarmorgen, bei ihrer Beerdigung kam das Lied vom Band. Immer, wenn ich das Lied nun höre, muss ich an sie denken.

Es ist Juli 2021, Hochsommer, Ferienzeit, aber über dem Land hängt ein schwerer Schatten.

Gerade hat eine Flut Welle Tausenden Menschen hier in NRW ihre Existenzen zerstört, einige Hundert Menschen starben. Erinnerungen der Familien wurden einfach gnadenlos fortgeschwemmt. Wir befinden uns kurz vor Beginn der 4. Welle in dieser endlos erscheinenden C…. (ich mag das Wort nicht mehr) Pandemie. Als ich im Januar einen Artikel für den Gemeindebrief geschrieben habe über mein Hoffnungsbäumchen, da hatte ich fest daran geglaubt, dass wir bald die Pandemie überstanden hätten. Zumindest irgendwie. Eine Liste von Personen, die ich umarmen wollte hatte ich im Kopf und Herz. Mein Bäumchen hatte ich ins Freie gestellt. Voller Hoffnung. Aber was ist seitdem geschehen? Ein ewiges Auf und Ab. Das Bäumchen stand viel zu früh draußen, im Frost verlor es alle Blätter, zurück blieb ein karger Zweig. Vieles, auf was ich mich gefreut hatte, fand nicht statt. Viele Gläser Wein musste ich alleine trinken. Längst nicht alle Menschen auf der Liste konnte ich umarmen. Aktuell habe ich Sorge, ob man überhaupt jemals wieder sorglos umarmen kann, ob diese Form der Nähe langsam und leise aus unserer Gesellschaft verschwindet. Viele junge Menschen leiden unter starker Erschöpfung, die seelischen Folgen dieser Zeit sind kaum absehbar, die Anmeldezahlen der Klinik, in der ich arbeite, steigen und steigen. Meine Kollegin meinte zuletzt, dass wir alle an einer Art Long-Covid ohne Covid leiden. Auch wenn ich sehr dankbar bin, dass meine Familie, Freunde und ich selbst bislang nicht ernsthaft an dem Virus erkrankt sind, ich spüre eine starke Erschöpfung. Körperlich und seelisch, in diesem heißen, feuchten, drückenden Sommer. An einem besonders heißen Tag verstarb die letzte noch lebende Freundin meiner Mutter. Beide kannten sich aus ihrem geliebten Kuchen-Klatsch-Strickclub. Nun ist auch sie nicht mehr da.

Am Morgen nach der Beerdigung hatte ich aufgrund von Impfreaktionen einen ziemlich drückenden Kopf, war sehr müde und ging durch den Garten. Ganz zufällig schaute ich nach dem kleinen kargen Bäumchen-Zweig…… und dann konnte ich meinen Augen kaum glauben. Ein ganz kleiner grüner Trieb spross an einer holzigen Stelle. Leben im tot geglaubten Holz. Ein kleines Wunder. In den letzten Wochen ist er immer weitergewachsen, ich musste ihn sogar schon an einem Stock festbinden, weil er so groß wird. Ja, es gibt sie noch. Wunder. Das habe ich damals gedacht. Das Gedicht von Mascha Kaleko fiel mir ein: „Sei klug und halte dich an Wunder“. Und dass es gelingen kann, Wunder zu erleben, daran zu glauben. Die Hoffnung auf ein Wunder nicht zu verlieren. Denn „Wer könnte atmen ohne Hoffnung?“, so schrieb Rose Ausländer.

Was macht Ihnen Hoffnung, liebe Gemeinde? Glauben Sie an Wunder, und was ist für sie ein Wunder? Ist es ein liebes Wort, mit dem sie schon gar nicht mehr gerechnet hatten? Ein Aufkeimen von Gefühlen, die längst vergessen schienen? Ein wenig Grün im Frühling? Der Duft eines frischen Kaffees? Ein Tag ohne Schmerzen? Ein Moment Glück, ganz unbeschwert lachen können? Das Licht einer brennenden Kerze? Die Schönheit eines geliebten Menschen? Das Wunder der Schöpfung und die Vollkommenheit einer blühenden Sommerwiese? Das Schnurren eines Katers…?

Ich glaube fest daran, dass unsere Verstorbenen nicht einfach nur weg sind. Sie sind da, immer, in Gedanken und Bildern, Erinnerungen, vielleicht auch in einem kleinen grünen Pflanzentrieb im Garten.

Es gibt sie noch: Wunder! Die Hoffnung darauf dürfen wir nie verlieren.

„Wunder geschehen, ich hab’s gesehn. / Es gibt so vieles, was wir nicht verstehen. / Wunder geschehen, ich war dabei. / Wir dürfen nicht nur an das Glauben, was wir sehn.“

Ihre Sabine Esther Loobes

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