Seit dem 28. November 1520 hielt sich der junge Kaiser Karl V. in der Reichsstadt Worms auf, um den ersten Reichstag unter seiner Leitung vorzubereiten. Am 27. Januar 1521 begannen die Tagungen mit einem umfangreichen Themenkatalog.
Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise hatte Ende November 1520 mit dem kaiserlichen Hofe eine Einladung seines Theologieprofessors Martin Luther zum Wormser Reichstag ausgehandelt, der dort die Möglichkeit erhalten sollte, seine von Rom verurteilten Lehren verteidigen zu können. Am 10. Dezember 1520 hatte Luther in Wittenberg die päpstliche Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ zusammen mit dem römischen kanonischen Recht öffentlich verbrannt. Die Einladung zum Wormser Reichstag wurde daraufhin zurückgezogen. Obwohl am 3. Januar 1521 die päpstliche Bannbulle „Decet Romanum Pontificem“ gegen Luther erlassen worden war, bemühte Kurfürst Friedrich sich erneut um eine Einladung Luthers zum Reichstag. Eine Neuregelung in der Reichsverfassung schrieb vor, dass eine Reichsacht gegen einen von Rom mit dem Kirchenbann belegten Häretiker nicht ohne eine Anhörung durch die weltliche Obrigkeit erfolgen durfte. Die Reichsstände unterstützten das Anliegen des sächsischen Kurfürsten, obwohl die päpstlichen Gesandten eine Verurteilung Luthers ohne vorherige Anhörung gefordert hatten. Nach zähen Verhandlungen erfolgte am 6. März 1521 eine erneute Einladung des Kaisers an Luther zum Wormser Reichstag.
Unter Begleitung des Reichsherolds Kaspar Sturm, der am 29. März die kaiserliche Einladung mit der Zusicherung freien und sicheren Geleits übergeben hatte, machte Luther sich am 2. April 1521 auf den Weg zum fast 600 km entfernten Worms. Obwohl er sich der Risiken bewusst war, die ihm drohen konnten, wollte er die Chance nutzen, vor den versammelten Reichsständen seine neue biblisch begründete Theologie öffentlich zu vertreten. Auf den jungen Kaiser hatte er zunächst große Hoffnungen gesetzt. Noch auf dem Wege nach Worms erfuhr Luther dann, dass Karl V. in seinen Erblanden die päpstliche Bannbulle schon in Kraft gesetzt hatte und seine Schriften dort bereits auf den Scheiterhaufen brannten. Trotzdem setzte er im Bewusstsein seines heilsgeschichtlichen Auftrages seine Reise fort und wurde in vielen Städten, durch die er kam, begeistert begrüßt. Am 16. April 1521 kam Luther in Worms an und wurde bereits für den nächsten Tag um 16.00 Uhr in den kleinen Saal der Bischofsresidenz eingeladen. Zu seiner Überraschung wurde er von Johann von der Ecken, dem Offizial des Trierer Kurfürsten nach kurzer Einleitung aufgefordert, zu erklären, ob die 19 Schriften, die auf einem Tisch ausgebreitet vor ihm lagen, von ihm verfasst worden wären und ob er bereit wäre, sie zu verteidigen oder zu widerrufen. Luthers Rechtsbeistand, der Wittenberger Juraprofessor Hieronymus Schurf, verlangte, dass die Schriften einzeln genannt werden sollten. Nachdem dies erfolgt war und Luther erklärt hatte, der Verfasser zu sein, forderte der Offizial ihn erneut auf, sich zu ihnen zu bekennen oder sie zu widerrufen. Luther, der erwartet hatte, in einer Disputation Stellung zu seinen Lehren nehmen zu dürfen, war irritiert und erbat sich mit dem Hinweis, dass es um das Heil der Seelen und Gottes Wort gehe als dem allerhöchsten Ding im Himmel und auf Erden, eine Bedenkzeit, die ihm von Kaiser Karl V. bis zum Nachmittag des folgenden Tages gewährt wurde, mit der Auflage, dass Luther sich nur mündlich, aber nicht schriftlich erklären dürfe.
Am folgenden Tage fand die Anhörung Luthers im größeren Saal der Bischofsresidenz statt. Auf die erneute Aufforderung des kaiserlichen Orators, seine Schriften zu widerrufen, antwortete der Reformator diesmal mit einer gut vorbereiteten Rede, die weltgeschichtliche Bedeutung erlangte. Seine Schriften gliederte er in drei Teile: Predigten und Bibelauslegungen, die schriftgemäß seien, vom christlichen Glauben und Leben handelten und ohne Beanstandung durch seine Gegner wären; Schriften, die sich mit den Missbräuchen und der Tyrannei der römischen Kurie und ihren Irrtümern auseinandersetzten und die durch die auf dem Reichstag vorgebrachten zahlreichen Beschwerden (Gravamina) der Stände belegt wären und zuletzt Schriften, die sich mit der christlichen Lehre beschäftigt hätten und mitunter vielleicht zu polemisch gegenüber Privatpersonen ausgefallen sein könnten. Bei keiner der drei von ihm aufgeführten Schriftarten wäre er bereit zum Widerruf, solange er nicht durch Schriftzeugnisse der Propheten und der Evangelien, sowie klare Vernunftgründe widerlegt worden wäre. Der Offizial warf Luther vor, bereits von Konzilien verurteilte Häresien des Johann Hus zu vertreten und mit seinen Lehren gegen die allgemein anerkannten und bewährten Lehrtraditionen zu verstoßen. Luther stellte klar, dass sowohl Päpste als auch Konzilien wiederholt geirrt hätten und schloss seine Verteidigungsrede mit dem Hinweis auf sein Gewissen gegenüber dem Wort Gottes, durch das er gefangen sei und gegen das er nicht widerrufen wolle, „weil wider das Gewissen zu handeln beschwerlich, unheilsam und gefährlich ist“. Er beendete seine Rede vor dem Reichstag mit dem Satz „Gott helfe mir. Amen.“ Auf Anordnung des Kaisers wurde die Anhörung Luthers beendet und der Reformator entlassen. Das Volk, das sich vor der Bischofsresidenz zahlreich versammelt hatte, feierte Luther stürmisch. Zurück in seiner Herberge soll Luther gesagt haben: „Ich bin hindurch!“
Weitere Gespräche Luthers mit Vertretern des zuständigen Reichsausschusses in den folgenden Tagen blieben ohne Ergebnis. Karl V. ließ Luther mitteilen, dass er gegen ihn als notorischen Ketzer vorgehen werde. Am 26. April 1521 begab sich Luther mit einem kaiserlichen Geleitbrief auf den Heimweg. Der päpstliche Nuntius Aleander formulierte am 8. Mai 1521 den Entwurf für ein Edikt gegen Luther, das vom Kaiser als Vogt und Schutzherr der römischen Kirche erst am 25. Mai 1521 unterschrieben wurde. Als das Wormser Edikt, das Luther für vogelfrei erklärte und jegliche Unterstützung seiner Person und seiner Lehren mit strengsten Strafen bedrohte, rechtskräftig wurde, war Luther bereits auf der Wartburg von seinem Fürsten in Sicherheit gebracht worden. Der kaiserliche Hof und die Vertreter Kursachsens vereinbarten vermutlich in einer Geheimabsprache, dass das Wormser Edikt nicht nach Kursachsen überstellt wurde und dadurch in Luthers Heimat nicht rechtskräftig war.
Lothar Beckers