Als ich an der Ampel stand und auf das Lichtzeichen für Fußgänger wartete, da ist es mir zum ersten Mal aufgefallen. Und später, als ich im Geschäft wartete, bis ich an der Reihe war, auch am Bahnhof, als ich wieder warten musste, bis der Zug kam, und schließlich als sich meine Freundin bei unserem verabredeten Treffpunkt verspätete – jedes Mal ist es mir aufgefallen, wie verschieden fest ich mit beiden Beinen im Leben stehe.
Mal bin ich auf dem Sprung, mal knicke ich ein, mal bin ich wie angewachsen. Selten gönne ich meinem Körper Ruhe und Entspannung. Selten nutze ich die Möglichkeit, im Stehen neue Kraft zu schöpfen. Fest zu sein, heißt nicht, starr zu sein. Im festen Stand kann die Energie durch meinen Körper fließen. Von der Sohle bis zum Scheitel durchpulst mich das Leben, das Gott mir schenkt.
Standfest zu sein, bedeutet nicht, verkrampft zu sein. Vielmehr vertraue ich darauf, dass der Boden unter meinen Füßen hält und mir einen sicheren Standort bietet, von dem aus ich handle.
Im Epheserbrief heißt es: So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen, bereit für das Evangelium des Friedens.
Es ist nicht immer leicht, fest zu bleiben, seinen Standpunkt zu vertreten, an seiner Meinung und an der Idee des Friedens festzuhalten.
Manchmal fällt es schwer, nicht zum eigenen Vorteil zu handeln, bei der Wahrheit zu bleiben, nicht den bequemen Weg einzuschlagen.
Anstatt aber das Gesetz der Ellenbogen zu befolgen, gilt es, um der Menschlichkeit willen fest und unentwegt das Gebot der Liebe aufrecht zu erhalten.
Um nicht zu wanken und um nicht zu kippen, brauche ich einen guten Stand. Dieser hat etwas mit mir selber zu tun, mit der Fähigkeit, Wurzeln in den –Boden wachsen zu lassen und die Kraft zu spüren, die Gott mir geben will.
Wenn ich meinen inneren Standpunkt gefunden habe, brauche ich mich nicht zu fürchten vor dem Wind, der ganz unerwartet um die Ecke fegt und mich fast umbläst.
Eine Kritik von außen kann solch ein Wind sein oder eigene Zweifel, zerschlagene Pläne oder der Abschied von einem lieben Menschen. Manchmal ist es das Gefühl, auf weiter Flur allein da zu stehen mit seinen Idealen von Liebe und Gerechtigkeit. Die Fähigkeit, widerständig zu sein, um nicht umzufallen, bedarf der Übung. Dadurch, dass ich meinen Bodenkontakt in alltäglichen Situationen immer wieder überprüfe, vergegenwärtige ich mir die Nähe Gottes. Ich erlange Standfestigkeit durch das Vertrauen in Gottes Beistand. Er ist mit mir auf dem Weg zur Arbeit, im Zusammensein mit der Familie, bei Diskussionen oder in Momenten der Einsamkeit.
Im Buch Josua finden wir die Versicherung: Der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.
Ich muss viel im Leben stehen und auch durchstehen. Es ist gut zu wissen, dass die Kraft, die mich standfest sein lässt, eine von Gott ist.
Pfarrerin Esther Gommel-Packbier