Weben ist eine Kunst. Eine Handwerkskunst mit langer Geschichte. Schon der Apostel Paulus war damit vertraut. War er doch gelernter Zeltmacher. In seiner Areopag-Rede an die Bürgerinnen und Bürger von Athen knüpft er daran an. Er begibt sich damit in ein interreligiöses Gespräch mit griechischer Philosophie und Religion. Und weil Bilder manchmal mehr sagen als tausend Worte, vergleicht er unser menschliches Leben mit der Handarbeit des Webens, die Teil eines großen gemeinsamen Gewebes ist. Eine Gemeinschaftsarbeit mit Gott, sagt er. Darum sind wir „gewoben in Gottes Geschichte“ mit uns Menschen und seiner ganzen Schöpfung.
Ein lebendiges Bild also. Denn Weben – das ist Bewegen und Bewegtwerden. Und das Gewebe des Lebens ist ein vielfältiges Misch-Gewebe. Das gilt zunächst einmal für das Lebens-Gewebe jedes einzelnen Menschen. Und zugleich auch für das bunte Verwobensein mit anderen Menschen. Denn gewoben wird man nicht allein, im Webstück befinden sich die anderen Fäden und die anderen Farben. Im Webprozess sind keine geraden und klaren Kanten in Sicht, es ist noch nicht klar, wer und was alles noch dazukommt. Das Webstück ist, solange es sich auf dem Rahmen befindet, offen, nur die Kettfäden sind klar gespannt. Was aber in sie hineingewoben wird, ist der Kreativität der Webenden überlassen. Wir Menschen sind so stets Webende und Gewebte zugleich. Und als gemeinschaftlich Verwobene sind wir – mit all unseren gelungenen Webmustern und auch unseren Webfehlern – auch verwoben mit der ganzen Schöpfung, in der Ökumene vor Ort und weltweit, in Stadt und Land, in unserer Gesellschaft.
Kein Mensch ist eine Web-Insel, keiner lebt für sich allein. Von der ersten Sekunde unseres Lebens an sind wir unter Menschen – immer miteinander unterwegs durch das Leben! Als soziale Wesen brauchen wir den persönlichen Kontakt, den Austausch und das Zusammenleben mit anderen Menschen – wie sehr, spüren wir erst, wenn uns dies fehlt (z.B. in der Corona-Zeit). Ob unser alltägliches Miteinander als Netzwerk dabei gelingt oder misslingt, liegt zu einem wesentlichen Anteil auch immer an uns selbst und das ist eine lebenslange Aufgabe! Aber: Wir leben, wir weben, wir sind da! Und wissen uns dabei verwoben in Gottes Geschichte mit uns. Denn Gott ist nicht fern von jeder und jedem von uns. Und es ist gut zu spüren und zu wissen, dass wir im Gewebe unseres Lebens nicht alleine sind, dass wir „nicht tiefer fallen können als in Gottes Hand.“
Pfarrer Andreas Rudolph