Freue dich und sei fröhlich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen, spricht der HERR. (Sacharja 2,14)

Es steht nicht gut um unsere alljährliche und wohlvertraute Weihnachtsfreude! Auch nicht in diesem Jahr! Das Virus hat sich in unsere Bräuche und Rituale, in unser Miteinander und sogar in unser  Weihnachtsfest geschlichen und droht dort erneut seine zersetzende Wirkung zu entfalten. Mit Grausen denke ich an den Ausfall der Weihnachtsgottesdienste im letzten Jahr. Und das könnte wieder geschehen? Gewiß, es wurde fleißig und sogar gut gestreamt, aber ein von einer vollen Kirche gesungenes „Stille Nacht“ ist doch etwas ganz anderes als ein solches am heimatlichen Kaffeetisch neben dem Laptop oder in einer halbleeren Kirche (was besonders an den Weihnachtstagen auffallen und wehtun wird). Mir will sich in diesen ersten Adventstagen noch keine rechte Freude einstellen. Auch, weil ein Weihnachtsbummel durch eine proppenvolle Innenstadt nicht möglich sein wird: Zugegeben, ein eher nebensächlicher Anlaß, aber ich liebe das, was andere „furchtbar“ finden: Drängeln und Glühweinstände, Kitsch und Geschubse. Und Bratwurstduft in der Luft, der sich getreulich mit dem gebrannter Mandeln und dem des Glühweins vereint. Die Mischung ist nur mit letzterem auszuhalten. In mir kommt Wehmut auf…

Wenn das geschieht, meldet sich mein Großhirn. „Du verlierst dich im Brauchtum“, sagt es nüchtern und verweist auf das, „worauf es wirklich ankommt“: Gottes Ankunft bei den Menschen! Aha: Geht auch ohne Bratapfelduft, ich weiß. Geht alles auch ohne Brauchtum und geschieht ja auch meistens so: Daß da jemand plötzlich in seinem Alltag (erinnern wir uns: an Jesu Geburtstag war Alltag!) Gott spürt, Frieden findet, Dankbarkeit und Vertrauen. Daß da ein kleines oder großes Wunder geschieht im Kreißsaal oder in der Intensivstation, daß sich plötzlich jemand meldet, der mit seinem „Hallo Du“ innere Quellen wieder sprudeln läßt. Gott kommt! Sagt uns diese Zeit, sagen uns alle, die in dieser Zeit besonders viel sagen (und leider auch reden). Doch was bedeutet das?

Doch wohl vor allem das, was ich gerade beschrieb: die Erfahrung, gehalten zu sein, Hoffnung haben zu können wider alle Hoffnungslosigkeit, hin und wieder das Eingestehen, daß man ein kleines großes „Wunder“ erlebt hat, ja: daß ich leben darf und nicht leben muß! Letzteres faßt so ziemlich alles zusammen, was ich meine.

Das sagen uns doch Adventskranz und Weihnachtsbaum, gemeinsame Lieder und Glühweinduft: Du darfst leben in Gottes Hand, Du bist sein Kind und er will auch in Dir und durch Dich Mensch werden, wenn nur Du Dich traust, menschlich zu sein. Mit all Deinen Macken, Fehlern und Schwächen! Und Deinem großen Herz für die, die auch nicht besser sind als Du.

Okay, das wird in diesen Tagen nicht einfacher sein als früher. Und nicht nur mir könnte vieles und könnten viele fehlen. Und wenn ich an den Tagen (oder mehr noch Abenden) um den Heiligen Abend daran denke, wird mir vermutlich zum Heulen zumute sein. Ja, Weihnachten werde ich weich wie ein Dominostein. Ich mag mein vertrautes Leben, mag vieles, was ungesund ist und lecker schmeckt. Und das am liebsten im Kreise lieber und netter Menschen. Kann sein, daß wir wieder auf vieles verzichten müssen.

Auf eines aber gewiß nicht: Daß Gott zu uns kommen will und wird! Daß er Wege finden wird! Daß er uns hält! Zusammen und aufrecht (selbst wenn unser Rücken krumm ist). In seinem Geist vereint. Weihnachten geschieht. Nicht nur in unseren Gewohnheiten und Bräuchen, es geschieht in so unscheinbaren Orten wie Bethlehem – oder Ihrer und meiner Seele.

Freuen? Ja! Weil Freude einer Kerze gleicht, Spaß (denken Sie nur an diverse Weihnachtsfeiern und –filme) einer Wunderkerze: Grell und hell und schnell verglüht. Kaltes Licht. Eine Kerze brennt und strahlt und leuchtet lange. Länger als Kaiser Augustus, länger als unsere Ängste, länger als Corona!

Und… Ach ja: Freuen Sie sich mit! Und halten Sie eine Tür auf für den, der da kommt. Oder ist er gar schon da? Dann öffnen Sie die Augen Ihres Herzens.

Gesegnete, frohe Weihnachten und ein besseres Neues Jahr                       

Ihr Pfarrer Karl-Heinz Bassy              

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