„Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat!“ (1. Petrus 4,10)

In Krisenzeiten – ob persönlich oder gesellschaftlich – nehmen wir das Vertraute und Selbstverständliche oft noch einmal ganz anders und neu wahr. Dies ist in den vergangenen Wochen auch im Blick auf vertraute biblische Texte zu beobachten. So geht es mir auch mit dem Monatsspruch für den Mai 2020:  „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat!“ Vor 2000 Jahren an Gemeinden in Kleinasien geschrieben, ist der zugehörige Briefabschnitt aus 1. Petrus 4 ein Kompendium für gelingendes Miteinander: Liebe und Wertschätzung, Verzeihen und Neuanfangen, offen füreinander sein und am Leben anderer teilnehmen mit Freuden und Sorgen, sich füreinander einsetzen, die eigenen Möglichkeiten nutzen für das Miteinander – „damit in allem, was unter uns geschieht, Gott zur Geltung komme als Liebe im Sinne Jesu Christi“. In zahllosen Predigten die Vorlage für Ermutigung und Aufforderung zur Wahrnehmung der Gabenvielfalt in einer Gemeinde in aktiver Dienstgemeinschaft.

In diesen Wochen ist das gegensei­tige Dienen mit Gottes Gaben nun in ein neues und besonderes Licht gerückt. Die Corona- Virus-Krise hat unseren Alltag stark verändert. Wir dachten doch alle, es geht immer so weiter wie bisher – und jetzt geht auf unbestimmte Zeit so Manches erstmal gar nicht mehr. Wir dachten, schneller, höher, weiter, immer mehr ist die Maxime für alle Lebensbereiche – und jetzt dämmert es uns: manchmal ist weniger vielleicht mehr und Vieles, was oft so wichtig und mächtig erscheint, wird plötzlich nichtig und klein. Wir dachten, in unserer hochtechnisierten multimedialen Welt hätten wir über fast Alles die Kontrolle, hätten alles im Griff – und jetzt gleitet uns durch eine unsichtbare Gefahr die Sicherheit aus den Händen. Wir dachten, mit allem medizinischen Fortschritt sind auf Dauer die meisten Krankheiten zu beherrschen – und jetzt wird uns bewusst, wie gefährdet und verletzlich Leben ist und bleibt. Wir dachten, in einer ICHbezogenen Leistungsgesellschaft brauchen wir kein WIR mehr – und jetzt ahnen und spüren viele, dass ganz neu Solidarität, Zusammenhalt, Verantwortung und Rücksicht gefragt sind.

Wir sind aufeinander ganz anders angewiesen als bisher. Wir nehmen die Vielfalt und Bedeutung „systemrelevanter Berufsgruppen“ ganz neu wahr. Wir entdecken einen Ideenreichtum im „Dasein für andere“ (genau das ist mit „Dienet einander“ gemeint!) in Netzwerken der Solidarität. Gemeinschaft zählt, „#zusammenhalten“ ist gefragt! Einander zu dienen mit den vielfältigen Gaben, die Gott uns geschenkt hat. Erhalten wir uns diesen Schatz der „bunten Gnade Gottes“, um hoffentlich verändert und gestärkt aus dieser Corona-Krise ins Leben zurückkehren zu können.

Pfarrer Andreas Rudolph

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