Johannes Roossinck – der mutige Kirchmeister

Grabplatte der Eheleute Roossinck. Foto: Gabriele Beckers-Hutschenreiter

In der Nähe der großen Grabanlagen von Zillessen, Croon, Boelling und Pferdmenges befindet sich auf dem evangelischen Friedhof am Wasserturm die Grabstätte des Kirchmeisters Johannes Roossinck und seiner Ehefrau. Der am 28. Januar 1885 geborene Kaufmann Roossinck war am 10. August 1933 vom neu zusammengetretenen Presbyterium einstimmig in das Amt des Kirchmeisters der Evangelischen Gemeinde M.Gladbach gewählt worden. Das 18köpfige Leitungsgremium bestand neben den vier Pfarrern Weiß, Jarcke, Kunze und Hübner aus neun Vertretern der nationalsozialistischen „Deutschen Christen“ (DC) und vier Presbytern der Gruppe „Evangelium und Kirche“. Kirchmeister Roossinck scheint anfangs den Mitgliedern der „DC“ nahegestanden zu haben, distanzierte sich aber unmissverständlich von deren Absichten, die Kirche mit dem NS-Staat und dem NSDAP-Parteiprogramm gleichzuschalten. In der Folgezeit wurde Kirchmeister Roossinck zu einer führenden, theologisch fundiert argumentierenden Persönlichkeit im „Kirchenkampf“ der „Bekennenden Gemeinde“.

Nachdem zwei Presbyter ihre Mitgliedschaft bei der Gruppe der „DC“ niederlegten, hatten die nationalsozialistisch gesinnten Mitglieder des Presbyteriums die Mehrheit verloren. Alle vier Pfarrer hatten sich dem neu gegründeten Pfarrernotbund angeschlossen. Dieser protestierte gegen die Einführung des „Führerprinzips“ durch den Reichsbischof Ludwig Müller und setzte sich gegen die Androhung von Disziplinierungsmaßnahmen zur Wehr.  In der Sitzung des Presbyteriums vom 13. Januar 1934 kam es zur Konfrontation mit den Mitgliedern der „DC“, die sich hinter den „Maulkorberlass“ des Reichsbischofs stellten. Pfarrer Weiß wies darauf hin, dass für das innerkirchliche Leben das Führerprinzip nicht gelte, sondern durch das Brüderlichkeitsprinzip ersetzt werde. Kirchmeister Roossinck stellte eine Erklärung zur Abstimmung, in der der Einspruch gegen die Verordnung des Reichsbischofs damit begründet wurde, dass die Einheit zerstört und die Ungewissheit vergrößert werde, „wenn die aus Gottes Wort gewonnene Wahrheit nicht mehr gegen irrende Kirchenbehörden gesagt werden darf“. Auch für uns als Presbyterium gelte das Wort: „Man muss Gott mehr gehorchen als dem Menschen.“ Die Gemeinde wurde gebeten, sich ihren „bekennenden“ Amtsträgern anzuschließen, ihre Not mitzutragen und Treue mit Treue zu vergelten. Die Erklärung Roossincks wurde angenommen, eine Gegenerklärung der „DC“ abgelehnt. In der damals noch bestehenden „Größeren Gemeindevertretung“ hatten die Deutschen Christen eine deutliche Mehrheit, die den Rücktritt    Roossincks forderte. Die Rücktrittsforderungen der nationalsozialistischen Parteigänger wies er zurück, da diesem Gremium nach der Rechtslage die Kompetenz fehle. Er betonte, dass die Presbyter ausschließlich gegenüber der Bibel und dem Bekenntnis verantwortlich seien und zitierte den Kirchenrechtslehrer Karl Riecker, der die Presbyter nicht als Interessenvertreter der Gemeinde und ihrer Gruppen verstand, sondern „als Funktionäre Christi, des Herrn der Kirche, die nach seinen Befehlen ihr Amt führen und ihm dafür verantwortlich sind“. Die „Deutschen Christen“ schieden aus dem Presbyterium aus und wurden durch Presbyter der neu entstandenen „Bekennenden Kirche“ ersetzt.

 Das Presbyterium und Kirchmeister Roossinck, der auch dem Bruderrat der Freien Evangelischen Bekenntnissynode angehörte, wiesen Forderungen der Deutschen Christen auf Anteil an Kirchensteuergeldern und auf Mitnutzung der Gemeindegebäude zurück. Um das Kollektenrecht der Gemeinde wurde erbittert gestritten. Wiederholten Versuchen der Kirchenbehörden der Rheinprovinz, die Finanzhoheit des Presbyteriums durch die Berufung von Bevollmächtigten und andere Repressalien auszuhebeln, trat Roossinck u.a. durch die Sperrung der Sparkassen – und Bankkonten energisch entgegen. Auch durch Anordnungen des Evangelischen Oberkirchenrats in Berlin und des Reichskirchenministers, der die Besoldungszuschüsse für kritische Pfarrer strich, ließ sich das Presbyterium und sein Kirchmeister nicht entmutigen. Als im Juni 1939 das Presbyterium vor der Zwangsauflösung durch den Oberkirchenrat in Berlin stand und Roossinck über die gescheiterten Kompromissverhandlungen mit der Finanzabteilung und dem Konsistorium der Rheinprovinz berichten musste, machte er seinem Presbyterium neuen Mut mit dem Hinweis, wo Menschen nicht mehr helfen könnten, sei dem Herrn der Kirche aber kein Ding unmöglich. Er sei überzeugt, dass Gott auch der Gladbacher Gemeinde in ihrer Bedrängnis helfen könne. Seine Worte sollten in Erfüllung gehen. Das Verfahren gegen das Presbyterium wurde zu Kriegsbeginn zurückgestellt.

Roossinck verstarb am 18. September 1939 bei einem Unfall auf dem Gladbacher Güterbahnhof. In einem Nachruf im Presbyterium ehrte Pfarrer Seeger den Verstorbenen mit den Worten aus Hiob 4, 3-4: „Siehe du hast viele unterwiesen und matte Hände gestärkt; deine Rede hat die Gefallenen aufgerichtet und die bebenden Knie hast du gekräftigt.“

Lothar Beckers

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