Johann Peter Boelling – Pionier der Textilindustrie (Reihe: „Menschen und Steine“)

Eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Stadtgeschichte war der Fabrikant Johann Peter Boelling, der 1798 aus dem Bergischen Land nach Gladbach kam und hier die Baumwollverarbeitung einführte.

Johann Peter Boelling wurde am 28. Juli 1773 in Elberfeld geboren. Mit 25 Jahren kam er an den Niederrhein, wo damals die Leinenproduktion noch dominierend war. Das napoleonische Frankreich hatte die linksrheinischen Gebiete annektiert, das rechtsrheinische Herzogtum Berg wirtschaftlich isoliert und eine Handels- und Schutzzollpolitik für ihre Gebiete praktiziert. Zahlreiche bergische Unternehmer verlegten ihre Textilbetriebe in die französisch besetzten Gebiete, um von den dortigen Wirtschaftsförderungsmaßnahmen zu profitieren. Um 1798 gründete Boelling in Gladbach eine Fabrik für Seiden-, Halbleinen- und Baumwolltextilien, die Vorbild für den neuen Industriezweig der Baumwollverarbeitung wurde. Um 1808 wird er als Teilhaber der Baumwollspinnerei J.P. Schlickum & Boelling erwähnt. Der rührige Textilpionier Boelling suchte nach neuen Produktionsweisen und Bezugsquellen. Die 1806 verhängte Kontinentalsperre Napoleons für englische Produkte nutzte er zur Erschließung neuer Absatzmärkte in Italien, Spanien und Frankreich.

1801 gehörte Boelling zu den Gründern der überkonfessionellen „Gesellschaft Erholung“, einer Vereinigung von zunächst 43 Gladbacher Honoratioren. In der Mitgliederschaft dominierten die evangelischen Unternehmer. Kulturelle, gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen wurden gemeinsam erörtert.

Von 1808 bis 1814 bekleidete Boelling das Amt des Maire (Bürgermeisters) in der Stadt Gladbach und zeitweise in zwei Landgemeinden. In seiner Amtszeit ließ er die Stadttore und Teile der Stadtmauer abreißen, um die Erweiterung und wirtschaftliche Erschließung des Stadtgebietes zu ermöglichen. Mit dem Ende der französischen Vorherrschaft kam das Rheinland zu Preußen.

Boelling war in den 1820er-Jahren Mitinhaber mehrerer Textilunternehmen. Zahlreiche Arbeitsplätze entstanden in den von ihm inspirierten neuen Baumwollfabriken. Zusammen mit Quirin Croon betrieb Boelling eine Fabrik an der Crefelder Straße (heutige Hindenburgstraße). 1821 stellte die preußische Regierung Boelling einen neuartigen an englischen Modellen orientierten mechanischen Webstuhl zur Verfügung, der anderen Unternehmern vorgeführt werden sollte

Von 1826 bis 1837 war Boelling Deputierter des Rheinischen Provinziallandtages, in dem es 1837 zu einer kontroversen Debatte über die Kinderarbeit zwischen Boelling und dem Textilunternehmer Johann Schuchard aus Barmen kam. Schuchard forderte Schutzgesetze für die Fabrikkinder, die dann 1839 und 1853 erlassen wurden. Boelling und Schuchard waren beide Kirchmeister in ihren evangelischen Gemeinden. In der von 1823 bis 1845 betriebenen Baumwollspinnerei Boelling, Friedrichs und Comp. in der Elsener Mühle in Grevenbroich waren zeitweilig 50 Erwachsene und 167 Kinder beschäftigt, für die eine Fabrikschule eingerichtet worden war. Boelling beteiligte sich 1834 an einem „Verein, der Armuth und Verarmung der Fabrikarbeiter entgegen zu wirken“ und unterstützte 1838 die Einrichtung einer Spar- und Sterbelade für die ärmeren Klassen, frühe paternalistisch geprägte sozialpolitische Initiativen, die u.a. Vorläufer einer städtischen Sparkasse für ärmere Schichten und einer Witwen- und Waisenrente waren.

Von 1814 bis 1846 war Boelling Mitglied des Gladbacher Stadtrates, in dem er sich in den 1840er-Jahren energisch für die Gründung einer evangelisch geprägten Höheren Bürgerschule einsetzte, in der die für Unternehmerkreise wichtigen Neusprachen Englisch und Französisch unterrichtet werden sollten.

Als 1837 der Antrag auf Errichtung einer Gladbacher Handelskammer durch eine Königliche Verordnung befürwortet wurde, wählten die Unternehmer Boelling in das Amt des ersten Handelskammerpräsidenten, welches er von 1838 bis 1848 ausübte. Erheblichen Anteil hatte er 1845 an der Einrichtung eines Handelsgerichts in der Stadt.

In seiner Evangelischen Kirchengemeinde M.Gladbach übte Boelling von 1832 bis 1841 das Amt des Kirchmeisters aus. Von 1817 bis zu seinem Tode war er Mitglied des Presbyteriums und der Größeren Repräsentation. Im Kirchenkreis beriet er den Superintendenten in Finanzfragen und wirkte als einziger Laie in einem Ausschuss über die neue Kirchenordnung mit.

Verheiratet war Boelling mit der Textilfabrikantentochter Marianne Preyer, mit der er zwei Töchter hatte. Als am 11. November 1854 die Ehefrau Boellings verstarb, wurde sie am 15. November 1854 als erste Verstorbene auf dem neuen Evangelischen Friedhof bestattet. Johann Peter Boelling verstarb am 22. März 1857 und wurde neben seiner Ehefrau im noch heute bestehenden Familiengrab beigesetzt.

Nach einem Beschluss des Mönchengladbacher Stadtrates trägt der Platz vor der Gesellschaft Erholung seit 2001 den Namen „Johann-Peter-Boelling-Platz“.

Lothar Beckers

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