Das Evangelische Jugend- und Wohlfahrtsamt von 1924

Als das Gladbacher Presbyterium 1924 auf Antrag von Pfarrer Hermann Leithäuser den Beschluss zur Gründung eines Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes fasste, war dies die Geburtsstunde des heutigen Diakonischen Werks in Mönchengladbach. Die Kirchengemeinde hatte schwierige Jahre hinter
sich. Die Gemeindekassen waren nach dem Krieg, der Hyperinflation von 1923 und der anschließenden Währungsreform leer, die diakonischen Herausforderungen hatten gleichzeitig erheblich zugenommen.

Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die Gemeinde ihren diakonischen Auftrag durch großzügige Schenkungen, Spenden und Stiftungen wahrnehmen können. Solche Mittel flossen nun in erheblich
geringerem Maße. Einrichtungen wie das Krankenhaus Bethesda, das Altenheim, das Waisen haus und Kinderheim in Neuwerk, die Kinder gärten und das Haus Zoar mussten finanziert werden. In der Zeit der
Weimarer Republik versuchte der Staat durch öffentliche Sozialpolitik die sozialen Probleme zu lösen. Freie kirchliche Wohlfahrtsträger waren nun zur Finanzierung diakonischer Aufgaben auf Kooperation
mit kommunalen Ämtern und auf öffentliche Zuschüsse angewiesen.

Bereits Anfang 1918 hatte Pfarrer Leithäuser die Evangelische Gemeinde im Stadtbund für Armenunterstützung und Wohlfahrtspflege vertreten. Zusammen mit seiner Ehefrau, einer halbamtlich angestellten Berufsarbeiterin und sieben Frauen des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes hatte er nach dem Krieg einen Jugendfürsorgeausschuss gegründet, der sich um die Unterbringung in Pflege familien, Schutzaufsichten und Vormundschaften kümmerte.

Das Presbyterium beauftragte Pfarrer Leithäuser mit der Organisation und Leitung des künftigen neuen Amtes. Ein zunächst gegründeter Jugend- und Wohlfahrtsausschuss erarbeitete ein tragfähiges Konzept mit klaren Richtlinien.

Im Gemeindeamt waren bisher 26 verschiedene Kassen und Fonds geführt worden, die 1925 drastisch reduziert wurden. Alle Kassen, die diakonischen Aufgaben dienten, wurden dem neu gegründeten
Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsamt übertragen, das ab 1926 auf der Steinmetzstraße 25 eingerichtet wurde. Zu den Aufgabenbereichen gehörten die Wohlfahrtspflege, die Fürsorgearbeit und die Jugendpflege.

Für die Wohlfahrtspflege wurde als hauptamtliche Mitarbeiterin die Wohlfahrtspflegerin Margarete Hollweg eingestellt. Die vier Pfarrbezirke der Gemeinde waren in diakonische Unterbezirke geteilt
worden, in denen anfangs neun, ab 1929 zwölf ehrenamtliche Bezirks pflegerinnen für die Diakoniefälle in ihrem Bezirk zuständig waren. Die Bezirkspflegerinnen wurden von Mitgliedern des Presbyteriums beraten. In monatlich stattfindenden Diakoniesitzungen wurden alle Fälle besprochen und die erforderlichen Gelder bewilligt. Die Evangelische Frauenhilfe und der Deutsch-Evangelische Frauenbund unterstützten das Wohlfahrtsamt mit großem ehrenamtlichem Engagement. Im Haus Zoar entstand eine Diakoniestation für Hauskranke. Das evangelische Wohlfahrtsamt war die Vermittlungsstelle mit dem städtischen Wohlfahrtsamt.

Für die Fürsorgearbeit war ab 1926 der hauptamtliche Gemeindehelfer und Jugendpfleger Adolf Päsler zuständig. Zu den Aufgaben des Jugendpflegers gehörte die Verbindung zum städtischen Jugendamt und den Vereinen, die sich um die Integration verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher bemühten. Neben der männlichen und weiblichen Bahnhofsmission gehörte zum Arbeitsbereich die soziale Gerichtshilfe für evangelische Gemeinde glieder. Päsler schloss alle acht in der Gemeinde vorhandenen Vereine, die sich in
der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen engagiert hatten, zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, die Vorträge, Arbeitskreise, Singkurse, Film vorführungen, Ausflüge und Wanderungen veranstaltete. Die Jugendpflege war die Basis für den Gemeindeaufbau von unten nach oben.

Nachdem Pfarrer Leithäuser Anfang 1927 in den Ruhestand getreten war, übernahm sein Amtsnachfolger, Pfarrer Wilhelm Kunze, die Leitung des Evangelischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes von 1928 bis 1934. 1928 erwarb das Evangelische Jugend- und Wohlfahrtsamt für die Jugendarbeit und Müttererholung zwei Häuser in Dalheim, die seit Oktober 1929 als Haus Waldquelle bestehen. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise ab 1929 brachten neue Probleme für die Gemeindediakonie mit sich. Wirtschaftliche Depression und Massenarbeitslosigkeit erforderten zur Linderung der Not diakonische Hilfeleistungen wie Suppenküchen, Wärmehallen, Kinderspeisungen und Kleider- und Kartoffelsammlungen. Die Gemeinde zog damals in Erwägung, Bankkredite aufzunehmen, um die notwendigsten Aufgaben zu erfüllen.

Im Jahre 1930 zog das Amt in das Wichernhaus am Marktstieg um. 1942 erfolgte eine Umbenennung des Amtes in Evangelischer Gemeindedienst für Innere Mission e. V. Mönchengladbach mit einer neuen Satzung. Seit 1984 trägt der Verein den Namen Diakonisches Werk Mönchengladbach e. V.

Lothar Beckers

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